Neuburg an der Donau, Jagdschloss Grünau, Flohstube

Wandmalerei von Jörg Breu d. J. (Ausschnitt)
Aus: Horn/Meyer 1958.
Wandmalerei von Jörg Breu d. J. (Ausschnitt)
Aus: Horn/Meyer 1958.
Vergleichsabb.: Drey schöne Lieder / Das Erst / Die weyber mit den Flöhen / die haben ein stetten krieg. Jm thon / Entlaubet ist vns der walde. Das Ander / Wie schön bluet vns der Maye. Das Dritt / Mein fleyß vnd müh / ich nie [et]c., Nürnberg [ca. 1540], Titelblatt

Kategorien

Datierung

1530–1537

Format/Maße

ca. 470 × 330 cm

Weitere Angaben

Der auch in einem Inventar von Schloss Grünau von 1631 aufgrund seiner Wandmalereien „Flohstueblein“ genannte Raum befindet sich im ersten Dachgeschoss des Alten Schlosses als eine von vier als Gästezimmer dienenden Kammern westlich eines schmalen Ganges gegenüber der Spiegelstube. Die von Hainhofer erwähnten Wandmalereien wurden in den 1950er wieder freigelegt. Die Stube mit einer gemalten Kassettendecke besitzt zwei Eingänge (über dem östlichen eine gemalte Tafel mit der Inschrift „GOT VND TEYN WIL ICH SEYN“), die übrigen Wandmalereien von Jörg Breu d. J. (nach 1510–1547) zeigen überwiegend Genreszenen, auf der linken Seite des Südfensters auch einen kleinen Flügelalter mit einem davor knienden Paar, rechts des Fensters die drei Grazien als stehende nackte Frauengestalten, die beiden äußeren äußeren in Rückenansicht. Auf der Westwand sind zwei Szenen dargestellt, zum einen auf der linken Seite vermutlich ein nacktes Paar in einem Himmelbett, das von fünf Frauen überrascht und aufgedeckt wird, eine von diesen beim Flöhesuchen. Rechts davon sitzen drei Frauen beim Spiel um einen Tisch, dahinter ein Fenster mit Blick in eine bebaute Landschaft; die rechts sitzende Frau hat ihr Bein bis zum Oberschenkel entblößt und kratzt sich (Abb.). Weitere Frauen, die an verschiedenen Stellen ihres Körpers Flöhe suchen, sind als sitzende Figur rechts der nördlichen Tür über der Ofenstelle sowie als Gruppe von vier Figuren rechts der Osttür dargestellt. Über letzteren findet sich eine bergige Landschaft mit Stadt, rechts ein Fluss mit Booten und Schwimmern, im Vordergrund die Auseinandersetzung zweier Heerhaufen.

Kommentar

Hainhofer deutet die Szene mit den beiden Heerhaufen als Kampf der Frauen gegen die Flöhe, dass sie „[…] im feld in der schlachtordnung wider sie außziehen, da dan die flöhe auf den hunden reüten, vnd auch in der ordnung Jhnen entgegen gehn, vnd andere mehr schnacken von flöhen vnd den weiberen (Neuburg 1613, fol. 370r)“. Bei der Beschreibung der Flohstube in seinem Brief an Herzog Philipp II. von Pommern-Stettin am 16. Januar 1613 erwähnt Hainhofer zudem eine Malerei, die zeigte, wie die Frauen die Flöhe „vor dem bapst verklagen, vnd ablaß brief wider Sÿ begeren“ (HAB, Cod. Guelf. 17.28 Aug. 4°, fol. 10r).

Die bildkünstlerischen Darstellungen der Flohstube sind ein frühes Äquivalent zur späthumanistischen Flohliteratur der frühen Neuzeit, in der zum einen in humoristischer Weise den Parasiten menschliche Eigenschaften zugeschrieben werden und zum anderen eine spezifische, vorrangig auf immerwährender Feindschaft beruhende Beziehung zwischen Flöhen und Frauen konstruiert wird. In letzterem Kontext ist der Floh auch Träger einer zumeist männlichen erotischen Phantasie, da er Zugang zu tabuisierten weiblichen Körperregionen hat oder auch zu deren unfreiwilligen Entblößung beiträgt. Zu vergleichen ist etwa Johann Fischarts (1546/1547–1591) Text Floeh Haz / Weiber Traz, in dem die Flöhe als Werkzeuge männlicher Imagination die weiblichen Körper in sadistischer Weise erkunden. Im Hauptteil des Werks berichtet der Floh-Protagonist über den opferreichen Kampf des Floh-Heeres gegen die Frauen, so dass Hainhofers Deutung der Heerhaufen als Schlacht unter Beteiligung von Flöhen durchaus sinnfällig erscheint (vgl. u. a. Bachorski 2001). Das 1577 veröffentlichte Spottgedicht greift zum Teil auf ältere Vorlagen zurück, unter anderem auf das um 1540 erschienene Lied Die weyber mit den Flöhen / die haben ein stetten krieg (Drey schöne Lieder [ca. 1540], S. [7]–[8]; s. Vergleichsabb.), das nach gegenwärtigem Kenntnisstand als unmittelbare Anregung der Grünauer Wandmalereien gelten darf, da es auch die von Hainhofer im Brief erwähnte Szene mit dem Papst und dem Ablassbrief enthält: „Der Babst der kan nit pannen / die Flöh so vngeheüer / sein brieff mögen nicht glangen / wider der Flöh gefeüer / pandt er die Flöch so böse / das sie frid hielten recht / so würdt er noch gelt lösen / von dem weyblichen gschlecht“. Eine angeblich von einem 1530 datiertem Flugblatt stammende, um zwei Strophen längere Fassung des Liedes ist publiziert bei Schmitz 1997, S. 18–19. Allerdings ist dort nicht vom Papst, sondern von einem Mönch die Rede.

Vorkommen im Text

  • Neuburg 1613, fol. 370r: [...] darin vil hirsch vnd rech gemahlet, an dern / köpfen rechte geweiche vnd kürnlen gemacht; / die flohe stuben, darinnen vnderschiedliche klaidte / vnd nackhete weiber gemahlet, die auf man- / cherlaj art, vnd an mancherlaÿ orthen, die [...]

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