Über Philipp Hainhofer

Lukas Kilian: Porträt Philipp Hainhofers, schwarze Kreide, um 1620/1630, Stockholm Nationalmuseum, Inv.-Nr. NMH 1900/1863, Foto: Public Domain

Philipp Hainhofer (1578–1647) ist eine der bedeutendsten Vermittler-Persönlichkeiten für Kunst und politische wie kulturelle Information in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts nördlich der Alpen. Geboren als Mitglied einer protestantischen Kaufmannsfamilie in Augsburg, überschritt er als ‚cultural broker‘ beständig konfessionelle und politische Grenzen. Er führte geschäftliche, diplomatisch-politische und gelehrte Korrespondenzen, verfasste vorrangig an höfische Rezipienten gerichtete Reiseberichte, konzipierte komplexe Kunstkammerschränke und handelte mit Kunstwerken, anderen Luxusgütern, Büchern sowie Handschriften. Zwischen diesen Tätigkeitsbereichen bestanden vielfältige Austauschprozesse. So konvergieren zum Beispiel die Arbeitsfelder Hainhofers in seinen Reiserelationen: Diese sind zumeist Produkt seiner Funktion als politischer Agent und Korrespondent, spiegeln die materielle Kultur verschiedener Höfe und zeigen so das Aufgabenfeld des Kunsthändlers auf, wie sie auch Beschreibungen einiger seiner bedeutendsten Kunstschränke enthalten.

Jugend und Ausbildungszeit Hainhofers verliefen ganz in den Bahnen der Vorbereitung einer kaufmännischen Karriere. Doch zeigten sich bereits in dieser Frühphase Spannungen aufgrund vermehrter konfessioneller Auseinandersetzungen: Kurz nach dem Tod des Vaters 1583 hatte die Mutter mit den jüngeren Kindern vor dem Hintergrund des Konflikts zwischen Katholiken und Protestanten um die Einführung des Gregorianischen Kalenders (sog. Kalenderstreit) Augsburg verlassen und sich für etwa acht Jahre in Ulm angesiedelt, während der älteste Sohn Christoph zurückblieb und die Geschäfte des Handelsunternehmens weiterführte. Nach der Rückkehr nach Augsburg begab sich Philipp 1594–1596 mit dem jüngeren Bruder Hieronymus und ihrem gemeinsamen Präzeptor Hieronymus Bechler zur Ausbildung auf Studienreise nach Italien, wo er an den Universitäten von Padua und Siena studierte. Weiteren Unterricht, vor allem in Französisch und Niederländisch, erhielt er in Köln und Amsterdam.

Nach der 1601 erfolgten Heirat mit Regina Waiblinger zog er in das Haus seines Schwiegervaters, wo er neben dem sich tendenziell in Auflösung befindlichen Familienunternehmen ein eigenes Geschäft und seine Sammlungen aufbaute. Seit 1607 führte er die Korrespondenz derjenigen französischen Diplomaten, deren Nachrichtennetz in Augsburg zusammenlief, eine Aufgabe, die er schon seit einigen Jahren im Namen seines Onkels Hieronymus Hörmann (1544–1607) ausgeübt hatte. Ab 1608 diente er zudem als Agent für Georg Friedrich von Baden-Durlach und ab 1610 für Philipp II. von Pommern-Stettin. Bereits 1606 hatte Herzog Wilhelm V. von Bayern sein Haus und seine Kunstkammer besichtigt und ihn als „ausser der religion für ainen erbarn und verstendigen jungen man“ (zitiert nach: Stieve 1893, S. 718) eingeschätzt.

Pommerscher Kunstschrank, 1610/1611–1617, Vorderseite, ehem. Kunstgewerbemuseum Berlin, Kriegsverlust, Foto aus: Julius Lessing, Adolf Brüning (Hrsg.): Der Pommersche Kunstschrank. Kgl. Kunstgewerbe-Museum, Berlin 1905

Das Jahrzehnt von 1610 bis etwa 1620 stellt in gewissem Sinne den Scheitelpunkt von Hainhofers Karriere dar: Er konzipierte und organisierte die Ausführung des Pommerschen Kunstschranks und Meierhofs, die er 1617 in Stettin dem Herzog von Pommern übergab. Reisen zumeist in diplomatischem Auftrag führten ihn 1611 nach Eichstätt, 1611, 1612, 1613 nach München, 1612 zum Einzug Kaiser Matthias’ nach Nürnberg, 1613 auf den Reichstag zu Regensburg, 1613 und 1614 nach Neuburg an der Donau und 1616 und 1621 nach Stuttgart.

1619 begann er die Ausführung eines großen Kunstschranks auf eigene Rechnung und ohne Auftraggeber. Dieses Möbel konnte er 1628 an Erzherzog Leopold V. von Österreich-Tirol verkaufen, der es seinem Neffen Großherzog Ferdinand II. von Toskana (1610–1670) schenkte. Hainhofer überreichte den heute unter dem Namen Stipo Tedesco im Florentiner Palazzo Pitti aufbewahrten Kabinettschrank persönlich in Innsbruck. Inzwischen wirkte sich der wirtschaftliche Niedergang in Folge des Dreißigjährigen Krieges, beginnend mit der Inflation der Jahre 1620 bis 1623, auch auf Hainhofers Unternehmungen aus: 1625 wurde die Stadt Leipzig zahlungsunfähig, der der Augsburger Kaufherr größere Kredite eingeräumt hatte. Ab 1626 häuften sich dann in seinen Briefen Klagen über finanzielle Probleme, die bis zu seinem Tod anhalten sollten.

Die Landung Gustav II. Adolfs von Schweden (1594–1632) und sein Kriegszug durch Deutschland 1631/32 wendeten Hainhofers Situation noch einmal für einige Zeit. Sein seit der 2. Hälfte der 1620er Jahre wieder auf eigene Rechnung ausgeführter, als Gustav Adolf-Schrank bekannter Kabinettschrank diente im April 1632 als Geschenk der Stadt Augsburg an den schwedischen König anlässlich dessen Einzugs in die Reichsstadt. Hainhofer wurde in das Patriziat aufgenommen und erhielt das einflussreiche städtische Amt eines Baumeisters (zentrales Ratsamt der Augsburger Finanzverwaltung). Der mit ihm befreundete Theologe Johann Valentin Andreae (1586–1654) besuchte Hainhofer eigens 1632 in Augsburg, um den Schwedenkönig zu treffen. Trotzdem mussten auch in der Schwedenzeit hohe Kontributionen aufgebracht werden, und nach der Schlacht von Nördlingen 1634 verloren die Augsburger Protestanten wieder sämtliche Ämter und wurden in ihrer Religionsausübung beschränkt. Unter diesen Bedingungen erholte sich die wirtschaftliche Situation Hainhofers nicht mehr. Ein bereits 1632 fertiggestellter letzter ‚großer‘ Kunstschrank (der erhaltene Kabinettaufsatz findet sich im Kunsthistorischen Museum Wien) konnte erst in seinem Todesjahr an August d. J. zu Braunschweig-Lüneburg verkauft werden. Für den Wolfenbütteler Fürsten war er seit 1613 als Agent tätig gewesen und hatte seitdem mit ihm einen Briefwechsel geführt. Der Herzog gab den Schrank dem schwedischen Oberbefehlshaber Carl Gustav Wrangel (1613–1676) als politisches Geschenk.

Hainhofer verstarb 69jährig in Augsburg, durfte aber aufgrund der politischen Bedingungen vor Abschluss des Westfälischen Friedens nicht neben seiner Gemahlin an seinem Grabplatz bei St. Anna begraben werden, sondern fand seine letzte Ruhe auf dem ‚Oberen‘ Friedhof vor dem Roten Tor (heutiger Protestantischer Friedhof).

Ein Selbstzeugnis zu Philipp Hainhofer und seiner Familie ist die Stammens-Beschreibung des Hainhoferischen Geschlechts von 1626.